Worte verwirren

Freitag Abend habe ich ein Kompliment bekommen. Nun bin ich schon ein misstrauischer Mensch und glaube keine guten Worte. Dann kam das noch von einem Mann. Und Ausländer. Oh mein Gott?!

Du bist der sympathischste Deutsche, den ich kenne. Und ich kenne doch ein paar

Nun sitze ich hier und überlege, was das über mich aussagt. Oder doch über die anderen Deutschen, die er kennt. Ich hatte nie das Gefühl, sonderlich nett zu sein. Oder verständnisvoll. Oder was auch immer mit “sympathisch” noch zusammen gehören mag. Also müssen die anderen deutschen Bekannten noch arschiger sein als ich. Kaum vorstellbar.

Ich verstehe es nicht.

Raubrittertum am Mittelrhein

Laut eines aktuellen Berichtes im Spiegel hat die Stadt Köln 2016 knapp zwölf Millionen Euro mit einem Blitzer eingenommen. Wie macht man das? Ganz einfach, man stellt den Blitzer auf 60 km/h Schwellenwert um und “vergisst”, den entsprechenden Bereich in der Baustelle entsprechend auszuschildern. Der dumme Autofahrer sieht nur ein Tempo-80 Schild und wundert sich über den roten Blitz… so auch mir geschehen, als ich zur Betzschen Hochzeit unterwegs war. Laut Foto 71 km/h gemessen, zehn Euro überwiesen, danke schön. Ich hatte mir nicht mal was dabei gedacht, sind halt reichlich Baustellen, ständig wechselnde Tempolimits, hab ich wohl eins übersehen, ärgerlich, kann passieren.

Und auch ein Fehler wie mit dem vergessenen Schild kann passieren. Dreht man den Mist eben zurück, verschickt von mir aus Verrechungsschecks an die Leute, die ihre Knöllchen bereits gezahlt haben. Aber nein, sagt die Stadt Köln, bezahlt ist bezahlt. Klar, man erkennt ja mit der Zahlung sein Vergehen an. Und es sei auch viel zu viel Verwaltungsaufwand, so die Kölner. 35,000 Leute zu Unrecht kassieren, das war euch nicht zu viel Aufwand! Was für eine Arroganz seitens einer von Bürgern bezahlten Verwaltung gegenüber eben diesen Bürgern.

Liebe Stadt Köln, für mich steht damit mein Entschluss fest – ein Besuch der Domstadt ist mir auch zu viel Aufwand. Trinkt eure kleinen Bierchen selber und schunkelt ohne mich zu Fasching.

Berlin Crime Scene

Bücher. Analoges Medium. Oldschool. Und ich als alter Sack nutze es immer noch. Neulich bei Amazon (ja, im schwarzen Herzen es Bösen) wieder ein Buch gekauft. “Der nasse Fisch”, von Volker Kutscher. Ob der Autor mit Ashton Kutcher verwandt ist?

Setting ist das Berlin der 30er Jahre, die Story an sich nichts Besonderes, gut geschrieben aber alle mal. Bin noch nicht ganz durch, zwei Stunden vielleicht noch. 542 Seiten lese auch ich nicht an einem Nachmittag. Aber wieso schreibe ich darüber? Ich bin mal wieder in Berlin gelandet, in den 20er Jahren, irgendwo im Dreck und Schmutz. Und stelle fest, dass mir all das sehr gut gefällt.
Vermutlich liegt es an einem der ersten Bücher, die mich als Kind so richtig gefesselt haben. “Ali und die Bande vom Lauseplatz”, ein altes Buch aus der DDR, entstanden Ende der 50er Jahre. Ein Geschichte um die Kindheit 1923 im Arbeitermillieu, wenig zu fressen, Straßenschlachten zwischen den “Roten” und der bösen Polizei, Tschakos und Gummiknüppel, Schieber (Schwarzmarkthändler) und ein Bonbonladen. Vermutlich hat mich das damals angefixt.

Später kam dann Klaus Kordon, der die Zeit zwischen 1918 und 1945 in drei Büchern aufspreizt. Die 1919er Unruhen (Spartakus, rote Matrosen, Freikorps), dann die “Machtergreifung” 1933 und im letzten Band das Kriegsende und die Besetzung Berlins durch die Russen. Alles aus Sicht der Familie Gebhardt, einer Arbeiterfamilie aus dem Berliner Wedding.
Und wieder all die Mühsal, die die Menschen damals so bewegte – abgeranzte Hinterhäuser, Heimarbeit, Lebensmittelmarken, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit. Und irgendwie geht es doch immer weiter. “Echtes Leben” halt. Kein Vergleich zum Gegurke anderer Bücher, in denen die Leute nicht mal aufs Klo gehen. Freunde werden zu Feinden, ob nun aus politischer Überzeugung oder weil die Kohle stimmt. Manche werden zu Helden, andere zu feigen Mitläufern. Und alle paar Meter findet sich wieder was, das man googlen kann und weiter in die echte Geschichte eintauchen kann. Das ist natürlich der Vorteil gegenüber reiner Fiktion – da hat es die Geschichte, die im luftleeren Raum schwebt.

So, dann gehe ich mal wieder auf die Couch. Weiterlesen.

Schlagerunsinn

Ab und zu steige ich hinab in die Hölle des deutschen Schlagers. Langsam kommt mir das schon pathologisch vor. Heute war es wieder soweit. “Die Schlager des Jahres”, eine Sendung aus dem Herzen des Landes, eine hessisch-thüringische Co-Produktion, Bratwurst mit Handkäs sozusagen. Mit Showtreppe, Showbalett – nur ohne Dieter Thomas Heck. Dafür Florian Silbereisen als Dompteur des ekstatischen Publikums in Suhl.

Was kam? Gut, den Disco-Fox-Beat aus der Rhythmusmaschine ist man von der Fließband-Grütze gewohnt. Ist ja bei Bieber und Co. auch nicht anders.
Aber was das “Sampeln” angeht, hat es sich diesmal wirklich übertroffen. Inzwischen bin ich ja nun auch schon so alt, dass ich die Originale kenne. Michelle als Opener hat gleich mal den 90er Klassiker Scatman John verwurstet, aber nur als Sample im Refrain. Dann Santaino, finde ich ja eigentlich gut. Aber diese Synthie-Harmonien??? Das kenn ich doch? Mike Oldfield, klatscht es mir ins Gesicht. Steht fairerweise auch auf der Homepage:

“Der Song ist eine deutschsprachige Adaption des Mike Oldfield-Klassikers „To France“.”

Aber dass eine Shanty-Rockband sich so tief in den 80ern bedienen muss? 1984, da waren die komischen Youtube-Poster noch nicht mal geboren. “Ich bin 13/14/15 und finde die Musik gut”. Na, immer noch besser als “wir brauchen mehr solche germanischen Bands”. Ach du lieber Gott…

Danach Heinz Rudolph Kunze, auch ein kleiner Held aus alten Jugendtagen (“Dein ist mein ganzes Herz”, “Finden sie Mabel”). Hat zufällig auch gerade ein neues Album. Besteht nur aus Cover-Versionen, von Udo Jürgens über Hilde Knef bis zu den Toten Hosen. Als dann noch Ross Anthony mit einem übergroßen Plüschbär ein “Lied aus dem Soundtrack zu seinem Kinderbuch” trällerte, bin ich aus der Schockstarre erwacht. Immerhin eine Stunde habe ich es ertragen, irgendwo zwischen geistiger Umnachtung und völligem Entsetzen. Was braucht man “The Walking Dead”, wenn es “Singing and Dancing Zombie-Invasion” gibt?

Ich such mir jetzt erstmal was aus meiner Musikschatulle raus, vielleicht was von Johnny Cash oder doch Led Zeppelin? Dazu ein doppelter Whisky aus der Speyside. Und drücke mir selbst die Daumen, dass mir nicht Michelle mit Ross Anthony heute Nacht im Traum ein Ständchen singen.

Popa Chubby

Schon ein paar Mal hat mir mein alter Kumpel Manfred vorgeschwärmt, wie toll die Konzerte von “Popa Chubby” seien. Gitarre, Blues, Rock, bämm! Zufällig hatte ich bei Eventim mal geschaut und ein Konzert in Bensheim gefunden. Gerade mal eine Stunde zu fahren, dreißig Euro Eintritt,  Freitag abends, kann man mal machen. Manfred kommt auch, vorher wollen wir nebenan beim Chinamann noch ein ein Häppchen essen. Männerrunde. Kann man zu zweit eine Runde sein?

Vom Navi wurde ich dann durch diverse Staus und Wohngebietsstraßen gescheucht und kam prompt zu spät an. Also irgendwie ist das nicht das Gelbe vom Ei, das Gerät. Mal schauen, ob ich in den Einstellungen was finde. Aber egal. Direkt neben dem Parkplatz zwei abgeranzte Häuser mit der Aufschrift “SPIELHALLE”, scheint eine tolle Ecke zu sein. Mal schauen, was der Chinese so kann. Och jo, Büffet, Bier. Mit vollem Bauch kann man sich in der heimeligen Halle des “Musiktheaters Rex” auch besser hinstellen. Direkt neben dem Einlass steht ein Tisch mit CD´s, die man kaufen kann. Verkäufer ist Popa Chubby himself, da gibt es auch gleich noch ein Autogramm mit dazu. Ist einfach eine ganz andere Sache als bei den großen Konzerten, bei denen ich bisher so war. Ein Bierchen noch und dann kommt langsam auch Bewegung auf die Bühne. Als Vor”band” kam Dave Keyes, wie Popa Chubby ein New Yorker Musiker, der den Pianoman miemte. Bisschen Boogie-Woogie, bisschen “Mardi Grass”-Jazz, bisschen Blues. Doch immer wieder beeindruckend, wie jemand mit Können und Routine schöne Musik machen kann. Eine halbe Stunde hat er geklimpert und es zuckte mir schon in den Füßen. Dann meinte er noch, dass er nachher noch bei Chubby in der Band das Keyboard spielen würde. So kann man sich die Kohle für die Vorgruppe auch einsparen! 😉

Kurz nach neun kam dann der Hauptakt auf die Bühne. Und ja, “Chubby” ist chubby… Gitarre umgehängt und “bääääng”, ging die Luzy ab. Wir hatten uns in den Stehplätzen noch ein bisschen nach vorne gemogelt, aber das war mal richtig laut! Nach einer halben Stunde bin ich freiwillig wieder zehn Meter nach hinten gegangen. Die Musik war aber wirklich gut, wenn einem die Ohren nicht mehr geklingelt haben. Klassisches Rock-Setup, Bass, Schlagzeug, Keyboard und Leadgitarre, und alle hatten was drauf. Natürlich kannte man keinen einzigen Song, von einem Jimmy Hendrx-Cover mal abgesehen. Aber tolle Gitarrensoli, teilweise auch improvisiert. Zeitweise auch mal 15 Minuten instrumental, viel Gesang gab es nicht. Insgesamt ging der Gig knapp drei Stunden, erst kurz nach Mitternacht ging die Band nach zwei Zugaben von der Bühne. Gegen Ende wurde es mir etwas lang, immerhin standen wir uns schon seit halb neun die Füße platt.
Ein bisschen was hatte es von Heinz Erhardt oder Rummelplatz. Immer, wenn man dachte “ok, Schlussakkord, Lied vorbei”, bäng, ging es in noch eine Runde.

Fazit für mich: nicht ganz meine Musik, aber für 30 Euro über drei Stunden ordentliche Musik, günstige Getränke und nettes Gebabbel mit dem Kumpel, das war ein guter Abend! Die Lokation hab ich mal in Facebook zugefügt, die scheinen da immer mal nette (Cover-)Gruppen am Start zu haben.