Schlagerunsinn

Ab und zu steige ich hinab in die Hölle des deutschen Schlagers. Langsam kommt mir das schon pathologisch vor. Heute war es wieder soweit. “Die Schlager des Jahres”, eine Sendung aus dem Herzen des Landes, eine hessisch-thüringische Co-Produktion, Bratwurst mit Handkäs sozusagen. Mit Showtreppe, Showbalett – nur ohne Dieter Thomas Heck. Dafür Florian Silbereisen als Dompteur des ekstatischen Publikums in Suhl.

Was kam? Gut, den Disco-Fox-Beat aus der Rhythmusmaschine ist man von der Fließband-Grütze gewohnt. Ist ja bei Bieber und Co. auch nicht anders.
Aber was das “Sampeln” angeht, hat es sich diesmal wirklich übertroffen. Inzwischen bin ich ja nun auch schon so alt, dass ich die Originale kenne. Michelle als Opener hat gleich mal den 90er Klassiker Scatman John verwurstet, aber nur als Sample im Refrain. Dann Santaino, finde ich ja eigentlich gut. Aber diese Synthie-Harmonien??? Das kenn ich doch? Mike Oldfield, klatscht es mir ins Gesicht. Steht fairerweise auch auf der Homepage:

“Der Song ist eine deutschsprachige Adaption des Mike Oldfield-Klassikers „To France“.”

Aber dass eine Shanty-Rockband sich so tief in den 80ern bedienen muss? 1984, da waren die komischen Youtube-Poster noch nicht mal geboren. “Ich bin 13/14/15 und finde die Musik gut”. Na, immer noch besser als “wir brauchen mehr solche germanischen Bands”. Ach du lieber Gott…

Danach Heinz Rudolph Kunze, auch ein kleiner Held aus alten Jugendtagen (“Dein ist mein ganzes Herz”, “Finden sie Mabel”). Hat zufällig auch gerade ein neues Album. Besteht nur aus Cover-Versionen, von Udo Jürgens über Hilde Knef bis zu den Toten Hosen. Als dann noch Ross Anthony mit einem übergroßen Plüschbär ein “Lied aus dem Soundtrack zu seinem Kinderbuch” trällerte, bin ich aus der Schockstarre erwacht. Immerhin eine Stunde habe ich es ertragen, irgendwo zwischen geistiger Umnachtung und völligem Entsetzen. Was braucht man “The Walking Dead”, wenn es “Singing and Dancing Zombie-Invasion” gibt?

Ich such mir jetzt erstmal was aus meiner Musikschatulle raus, vielleicht was von Johnny Cash oder doch Led Zeppelin? Dazu ein doppelter Whisky aus der Speyside. Und drücke mir selbst die Daumen, dass mir nicht Michelle mit Ross Anthony heute Nacht im Traum ein Ständchen singen.

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