Nachdem es im Dörpmuseum einen großen Überblick über die alten Handwerke gegeben hat, ging es am Mittwoch ein wenig über die Dörfer. Als Auftakt bei einem Orgelbauer, denn Ostfriesland soll eine der höchste Dichte an Orgeln weltweit haben. So hat sich nach dem Krieg Jürgen Ahrend bewusst hier niedergelassen, um zum einen die alten Orgeln begutachten zu können und es bei Reparaturaufträgen nicht allzu weit zu haben. Lustigerweise war der Chef gerade in Frankfurt, um in der Nordwest-Stadt eine Orgel zu restaurieren…
Hier laufen diverse einzelne Gewerke in einem großen Ganzen zusammen, viel an so einer Orgel besteht aus Holz, auch einige der Pfeifen. Aber auch Metallbauer sind natürlich am Start, denn die Rohlinge für die Metallpfeifen werden aus Zinn- und Bleibarren vor Ort gegossen – Barren, Platte, Röhre, Pfeife. Klingt simpel, aber da steckt auch jahre- und jahrzehntelange Erfahrung dahinter. Insgesamt alles schwer beeindruckend.
Danach auf einen Bauernhof. Was macht der Bauern, wenn er Richtung Rente geht? Er lernt sich ein Handwerk. In seinem Fall “Weidenflechten”. Immerhin wachsen die Rohstoffe hinter seiner Scheune und im alten Stall ist es gemütlich zu arbeiten. Insgesamt war die Präsentation etwas lahm, aber die Resultate waren wirklich hübsch. Hab auch gleich was für die Frau gekauft.
Nach der Mittagspause ging es in die Polsterei Hicken, hier im Norden wohl durchaus bekannt für die traditionellen Ostfriesensofas. Im Nachhinein hab ich auch auch was in Mediatheken gefunden, vor Ort interessant, dass es immer noch kleine Firmen mit einer guten Handvoll Mitarbeiter gibt, die IKEA und Konsorten mit Handarbeit und Qualität entgegentreten. Vor allem, dass auch Ausbesserungsaufträge ausgeführt werden, statt einfach Neuware zu verkaufen. Da wird ein 30 Jahre altes Sofa zerlegt, neu gepolstert und bezogen und der Kunde freut sich, dass er SEIN Sofa wieder bekommt. Ein Zeichen GEGEN die Konsumgesellschaft?
Sehr viele bunte Muster gab es auch, natürlich kann man in einer solchen Manufaktur auch Sonderwünsche mit wenig Aufwand erfüllen. Kein Sofa gekauft. Für den Moment.
Den Abschluss bildet ein Besuch in einer Schreinerei. Zeitreise. Gefühlt ist keine Maschine in der Halle jünger als 30 Jahre und der Chef ist 70. Mindestens. Und was macht man so? Stiele für Äxte. Zum Beispiel. Oder für Spaten. Oder Bootsbedarf. In seiner Lagerhalle war eine riesige Auswahl zu sehen, alles handgefräst, gesägt und was weiß ich nicht alles. Der Markt ist immer noch da. Ob das nur am platten Land liegt oder daran, dass solch handwerklich gefertigte Ware schon wieder Statussymbol ist? Doch wir waren hier, um Boßelkugeln zu sehen. Moment. Das ist doch nur ein Vierkant Holz? Ok. Und dann braucht es noch eine Drehbank und eine geübte Hand. Schon wird in ein paar Minuten aus dem Quader eine Kugel. Das ist schon der Hammer, auch wenn ich so was schon früher mal gesehen hatte.
Der Donnerstag ist der letzte Exkursionstag. Nochmal Lunchpakete schnüren, nochmal in die Autos und bei dezentem Nieselregen geht es zur Mühle Eiklenborg. Ein Galerieholländer, mit mehreren Böden und einer Säge im Erdgeschoss. Und alles aus Holz, und alles nur mit Windkraft. Ist halt wirklich kein modernes Konzept, diese erneuerbaren Energien! Das Klettern auf die Galerie war etwas rutschig, doch die Aussicht war trotz Wolken schön über das flache Land.
Interessant war hier das Konzept. Professionell gemahlen wird hier kaum noch, dafür Müller für andere Windmühlen ausgebildet. Dazu eine kleine Gastronomie und ein Backhaus, in dem einmal im Monat frisch gebacken wird. Mit sehr großem Andrang beim Verkauf. Neue Ideen, aufgesetzt und eng verbunden mit dem ursprünglichen Konzept.
In der Gaststube gab es dann – Tee und Krinstuut. Überraschung!
Mittagspause in Leer, Weihnachtsmarkt in der Stadt. Hätte aber genauso gut zu Hause sein können, die Buden sind dieselben. Bratwurst, Glühwein, bisschen Kunsthandwerk und eine große Weihnachtspyramide aus dem Erzgebirge.
Noch mal geht es weiter, in ein Heimatmuseum. Ein ehemaliges Armenhaus, dass nun bis unters Dach vollgestellt ist mit alten Gerätschaften aus dem Rheiderland. Alle Gewerke sind vertreten, nicht nur Landwirtschaft oder Schmiede, sondern auch Schneider, Schuster, Uhrmacher, Druckerei. Leider war unsere Führerin etwas in Eile und unsere Gruppe auch zu groß, um sich wirklich mit den Exponaten zu befassen. Vielleicht waren wir nach der Woche auch einfach “satt”, um noch viel aufnehmen zu können. Es fühlte sich jedenfalls unbefriedigend an, als wir aus dem Museum raus kamen. Sicherlich hätte man länger als 90 Minuten darin verweilen können. Aber dafür war der Butterkuchen (mit Tee!) sehr lecker und ein guter Abschluss.
Nein, der Tag ist noch nicht zu Ende. Es gibt in der “Schmiede” noch ein großes Abschlussbüffet. Mit landestypischen Spezialitäten wie griechischem Salat und Caprese. Alles super lecker und mit ein paar norddeutschen Bieren kann man den Abend nun wirklich ausklingen lassen.
Der Freitag Vormittag ging dann schnell vorbei. Heinz wollte Feedback haben und im Gegenzug gab es noch einen Lehrfilm über Kutterbau. Auch ganz aus Holz, einer der letzten, der hier an der Küste gebaut wurde. Auch hier wieder wenig Maschinen, aber auch nur zwei, drei Arbeiter. Der Altgeselle, der dem Stift sagt, wo er die 250 Löcher zu bohren hat, und der Azubi, der die Planken einsetzt. Mit wie wenig Mitteln und vielen Mannstunden in diesen alten Handwerken tolle Sachen “aus dem Nichts” entstehen – jeder BWLer kriegt da vermutlich Schnappatmung. Ich find es toll!
Der Rest ist schnell erzählt: Bierdeckel bezahlen, Mittagessen (Fisch mit Bratkartoffeln), ab ins Auto und nach Hause.
Eine Woche lang Einblicke in eine andere Welt. “Altes Handwerk” = einfache Werkzeuge, viel Arbeitszeit & Muskelkraft und Resultate, die vermutlich länger halten und besser funktionieren als das Meiste aus der Massenproduktion. Das Ganze mit Anekdoten gut verpackt vom Kursleiter. Ich glaub, hier kommen wir nochmal her!
Linkliste:
www.orgelbau-ahrend.de/
www.polster-hicken.de/
http://www.drechslerei-eden.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Heimatmuseum_Rheiderland
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