Nachtrag: Hauptversammlung Deutsche Börse AG

Ein Brief von der Firma? Siedendheiß dachte ich nach, ob ich was angestellt hatte…. hmm, eigentlich nicht. Also mal reinlesen und schauen, was wollen. Hauptversammlung? Ach ja, die Mitarbeiteraktien, die ich vor zwei Jahren gekauft hatte. Nachdem in den letzten Wochen einiges los war (gescheiterte Übernahme der LSE, Aktionärsaufstand in London, Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden), versprach das ein netter Tag zu werden. Insbesondere, da die Großanleger interessante Gegenvorschläge eingebracht haben: Ausschüttung des kompletten Konzerngewinnes 2004 als Dividende (Union Investment), sofortige Entlassung des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Breuer (TCI).
Nach Rücksprache mit den Kollegen gingen Marko und ich hin – unsere gewaltigen Stimmrechte in die Waagschaale werfen! Aus dem Schrank das Jacket gekramt, ein gutes Hemd, dass dennoch passt, gefunden. Krawatte – ne lass mal gut sein.

Jahrhunderthalle Frankfurt, die Anfahrt ist immer wieder lustig, über die kleine Strasse Unterliederbach raus, über den Bahnübergang hoppeln. Und irgendwann liegt da im Industriegebiet diese Muschel. Mit allem Komfort, Parkplatzwächter, Kamerateams vorm Eingang und Sicherheitsschleuse wie am Flughafen. Die Eintrittskarte wird umgetauscht in einen Block voller Stimmzettel, dann erst mal die Lage peilen. Das Catering durch die LSG, darüber wird die Aramark nicht erfreut sein, die sonst alles für uns zaubert. Und ohne allzu ins Detail gehen zu wollen – doll war das Futter auch nicht. Zum “Frühstück”  Kaffee und Laugenbrezel oder Croissants, später sollte es dann Nudeln und Suppe geben und Kuchen – von letzterem habe ich allerdings nichts zu sehen gekriegt! Unglaublich, da zahlt man Unsummen für die Aktien und es gibt nicht mal den Kuchen, vielleicht sollte ich das nächstes Jahr explizit beantragen. 😉

Ein Blick auf die Uhr und die Tagesordnung, es wird Zeit, sich in die Halle zu begeben und schon mal einen Platz zu sichern. Durchs Programm führte besagter Dr. Breuer, den meisten als ehemaliger Vorstand und jetziger Aufsichtsratschef der Deutschen Bank bekannt. Nebenher macht er diesen Job auch bei der Deutschen Börse – für 96,000 Euro Jahresgage. Und man merkt ihm zumindest an, dass er das schon öfter gemacht hat. Zunächst einmal werden sehr formelle Eröffnungsworte verlesen (wann über welche Medien eingeladen wurde zum Beispiel), dann ein paar mehr oder weniger warme Worte über die Geschehnisse der letzten Monate, die ja in der Entlassung des Vorstandsvorsitzenden gipfelten. Der interimistische geschäftsführende Vorstand Hlubek erstattete den Aktionären anschließend Bericht über das letzte Jahr (Rekordumsätze und -gewinne) und wie sich der Vorstand das weitere Vorgehen vorstellt (weitermachen wie bisher).

Nun gehts zur Sache – die Herren “Aktionärsvertreter” melden sich zu Wort. Was da abgelassen wurde, da konnte einem echt der Hut hochgehen. Die wichtigsten Streitpunkte waren die Abfindung von Werner Seifert, man munkelt was von um die 10 Millionen Euro. Ok, ne fette Stange Geld und vermutlich mehr, als ich bis an mein Lebensende verdienen werde. Aber zum einen stand dies als Klausel in seinem Vertrag (Abfindung 3x das letzte Jahresgehalt inkl. Zulagen und Sachleistungen) – zum anderen hat die Börse sich in den letzten 12 Jahren unter ihm erst zu der Cash-Cow entwickelt, die sie heute ist. Bin mir nicht sicher, aber ich meine, Hlubek hätte was von ca. 1,5 Milliarden Gewinn in dieser Zeitspanne erzählt. Erfolgreiches Management, würde ich meinen – der CEO von Vivendi erhielt 2003 eine Abfindung von 20 Millionen Euro, nachdem der Laden unter seiner Führung 2002 23 Milliarden VERLUST eingefahren hatte. Deutsche Neidgesellschaft – echt traurig.

Mieses Management wurde den Bossen vorgeworfen – 226 Millionen Gewinn sprechen da ne andere Sprache. Und die vielen gescheiterten Fusionsgespräche mit London (2000 + 2005) und der Schweizer Börse – Kosten laut Hlubek übern Daumen 10 Millionen Euro. Auch das kann man wohl verschmerzen, nicht jeder Antrag wird angenommen. Wieso sollte das im Business anders sein als im echten Leben? Ok, beim Flirt in der Bar kommt man mit zwei, drei Cocktails meist etwas günstiger weg… ;-))

In dem Ton ging es über eine Stunde, als dann die Vertreterin des “Vereins der Kleinaktionärinnen e.V.” sprach, sind Marko und ich raus gegangen. Nichts gegen die Frau direkt, aber nach gut 2 Stunden sitzen und zuhören – nun ja, der Hunger hat uns angetrieben. Die Nudeln, die es gab, waren doch schon arg matschig, lasch gewürzt, also auch nicht so der Bringer, und dazu gabs von unzähligen Flachbildschirmen die Reden aus dem Saal. Nix mit “in Ruhe futtern”, dafür konnte man sich das Publikum mal anschauen – eigentlich gut zu unterteilen in drei Gruppen:

die Schlipsträger – Presse, Bankenvertreter und sonstige hauptberufliche HV-Besucher
die Grauen – Frührentner, Pensionäre, die jedes Frühjahr ne Deutschlandrundreise von HV zu HV machen
die Mitarbeiter – es waren natürlich sehr viele Mitarbeiter da, die sich das Spektakel anschauen wollten, genau wie ich

Nach unserer Mittagspause kam dann auch eben die zweite Gruppe ans Rednerpult geschlendert. Und durfte, wie alle anderen Wortmeldungen auch, ihre zwölf Minuten frei vor sich hin plaudern. Darüber, wie schlimm die vielen Anglizismen doch seien, und die Sicherheitskontrollen am Eingang. Ob man sich denn vor seinen eigenen Aktionären fürchte?
Am besten war aber mein ehemaliger Mathelehrer Mehl, der frech aufs Podium latschte und sich ans Rednerpult des Vorstandes stellte, statt eins der beiden im Zuschauerraum zu benutzen. Ob es denn Redner erster und zweiter Klasse gäbe, und ihm als Anteilseigner, ja quasi Besitzer des Unternehmens, sei sowas unzumutbar! Man bräuchte auch keine Angst zu haben, er habe zwar sein Taschenmesser mit durch die Sicherheitsschleusen bringen können, aber er würde sich nicht gleich auf Dr. Breuer stürzen… Ohne Worte…
Respekt nötigte mir allerdings Dr. Breuer selbst ab, der trotz dieser Mainzer Büttenreden mitten in Frankfurt ruhig blieb und gelassen auch diese Fragen beantwortete. Auch die Frage des Rednerpultes wird fürs nächste Jahr geprüft – ich bin gespannt, wie das gelöst werden wird.
Die Reisefreude der Deutschen ist im Übrigen ungebremst, eine Wortmeldung kam extra aus Detmold angereist, um mit Dr. Breuer ein paar offene Punkte auszudiskutieren, die er bei der HV der Deutschen Bank nicht losgeworden war… und man kennt sich auch untereinander bereits “hallo, wir hatten uns ja vor zwei Wochen da und dort auch schon gesehen”.

Der Rest ging schnell, es wurden die Abstimmungspunkte verlesen, die Kärtchen eingesammelt und ausgezählt. Da TCI ihren Punkt bezüglich der Abwahl des Aufsichtsrates zurückgezogen hat, kam sonst wenig bei rum. Fast alles wurde abgenickt. Und so gibts als Fazit erstmal nur: viel Rauch um nichts…

Aber nächstes Jahr geh ich da wieder hin, allein die Gaudi der Kleinaktionärsdarsteller ist das wert!

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