Hafengeburtstag DCCCXXVIII
Der alte Lateiner weiß nun, dass sich Hamburg nun schon seit über achthundert Jahren Hafenstadt nennt. Ich habe allerdings nicht alle Parties mitgefeiert. Dieses Jahr aber mal schon.
Was konnte man nicht alles erleben diesmal. Die Einlaufparade bei kühlen 8°C am Freitag Nachmittag, das große Feuerwerk am Samstag Abend bei lauschigen 16 Grad, Labskaus, Fischbrötchen und gebrannte Mandeln, leere und voll gestopfte U-Bahnen, Guildo Horn und arabischen Hiphop. Wirklich, Hamburg bietet für jeden Geschmack etwas.
Der Reihe nach… Der ICE war schnell und leidlich pünktlich, der erste Eindruck am Bahnhof Dammtor war “kalt und Regen”. Als Unterkunft hatte ich uns wieder das Radisson direkt am Bahnhof rausgesucht, “Business Class”-Zimmer mit 20% Rabatt bei Expedia. Kann man machen – großes Zimmer, Badewanne(!) und ein toller Ausblick aus der 17. Etage in Richtung Rothenbaum und Außenalster. Nach kurzem Test der Badewanne ab zur U-Bahn, zum Hafen, zur Großen Freiheit. Der Regen hat netterweise aufgehört und ward auch bis zur Heimfahrt nicht mehr gesehen. An den Landungsbrücken war kaum was los, freitags um fünf, noch sehr kühl, da bleibt der Hamburger wohl lieber noch zu Hause. Die Einlaufparade war gut gemischt, viele Traditionssegler aus den Niederlanden, zwei russische Großsegler (“Mir” und “Kruzhenstern”), ein paar Kriegs- und Polizeischiffe, dazu noch ein paar Dampfer.
Bis zu unserem Abendessen am Fischmarkt war noch ein bisschen Zeit, da kommt doch eine Fischbude auf dem Rummel genau richtig. Fischbrötchen, Bismarkhering, was soll da schon schief gehen?! Einiges… 3,50 Euro ist schon eine Ansage, aber ok, ist ja Jahrmarkt, Touribums. Aber auf das Brötchen EIN Heringsfilet zu packen, das war schon eine Frechheit. Eigentlich war es ein halbes belegtes Brötchen und ein halbes trockenes Brötchen.
Jetzt noch ein ausgiebiger Spaziergang über die “Hafenmeile” und dann hinter zum Fischmarkt. Und die Buden hören einfach nicht auf. Hinter den Landungsbrücken, im Bereich der Hafenstraße, wird es dann alternativ. Veganes Futter, Bier, Bier und Bier. Und in der Luft auch ein paar “Kräutermischungen”. Punk ist nicht tot, ein bisschen Schwarzafrika, arabische Klänge, Cocktails. Ganz anders als der klassische Rummel zwischen Überseebrücke und Landungsbrücken.
Direkt am Fischmarkt hat REWE seinen kleinen Vergnügungspark aufgebaut. Auf der Bühne macht eine ABBA-Coverband Soundcheck, majestätisch gleitet die AIDAvita die Elbe hinab und der Moderator haut noch den Knüller raus. Guildo Horn. Auf dieser Bühne. Vor mindestens 50 Zuschauern und 30 Tauben. Sensationell. Schnitt. Restaurant.
“Alt Helgoländer Fischstuben”. Sehr gemütlich eingerichtet, äußerst beliebt. Man sollte reservieren, sonst gibt´s ein nordisch kühles “haben sie reserviert? Nicht? Dann nicht” zu hören. Wir hatten einen Tisch für uns, Bier und Fisch war lecker. Wenn auch die Scholle so am Stück etwas umständlich war. Mit Haut und Gräten hat der Binnenländer doch selten zu tun. Zur Vorspeise habe ich Labskaus bestellt und kann sagen: muss ich nicht haben, aber ist nicht annähernd so eklig, wie man immer wieder liest. Klar, sieht aus wie schon mal gegessen, aber “Beef Tatar” sieht auch nicht viel anders aus. Noch einen Kümmel obendrauf und Richtung Heimat. Verabschiedet vom Horn persönlich, der uns verzweifelt sein “ich hab euch alle lieb, wisst ihr das” hinterher rief. Oh mein Gott, gib Gas, Taxifahrer!!!
Der Samstag beginnt entspannt, ein gutes Frühstück und eine weitere Fahrt in den Hafen. Buden angucken, scheinbar ist Frankreich irgendwie Gastland. Und wo man auch an der Nordsee überall Urlaub machen kann. Und die Ostsee. Und die Lüneburger Heide. Verrückt. Mittagessen auf den Landungsbrücken im “Captains Dinner”, lecker Pannfisch. Mittagsruhe. Ist auch wichtig. Wieder zum Hafen, sogar mit viel Sonne und Wärme. Und einer ordentlichen Rindswurst im Brötchen. Auch dreifuffzich, aber viel mehr Nährwert als dieses fischlose Fischbrötchen.
Nun endlich ab aufs Wasser. Zum Feuerwerk haben wir uns eins der Fahrgastschiffe ausgesucht, bisschen was trinken, bisschen Gesabbel über Hafen und Umgebung (vor allem, welche überteuerten Riesenjachten und Leyen-Fregatten bei Blohm+Voss im Dock liegen) und um halb elf das große Feuerwerk gegenüber den Landungbrücken. Unser Eimer ging in Parkposition auf Höhe der Elbphilharmonie – die übrigens wirklich fertig ist und ohne Baukräne komisch aussieht – weil die AIDAPrima den besten Platz vor den Landungsbrücken belegte. Die Lightshow, die das Schiff alleine schon veranstalten kann, war beeindruckend. Dürfte aber auf hoher See sonst niemand interessieren 😉
Die Rückfahrt zum Hotel war dann noch ein kleines Abenteuer. Auf eine gute halbe Stunde Fußmarsch nachts um halb elf hatte ich keine Lust. Auch weil die drei Tüten gebrannte Nüsse schwer wogen. Also U-Bahn. Am Baumwall Richtung Innenstadt ziemlich illusorisch, die Züge kamen aus Richtung Landungsbrücken schon im Sardinendosen-Modus an. Die Zugänge abgesperrt, die Türsteher ließen nur kleine Gruppen auf den Bahnsteig. Also in die andere Richtung fahren, quasi “hinnerum ins Auge”. Zumindest kamen wie viel schneller in eine Bahn, ein paar Stationen war es da auch sehr sehr voll. Aber hinter der Sternschanze wurde es erträglich, sogar mit Sitzplatz. Und nach dem Umstieg Richtung Stephansplatz ein Traum. Zwar ein Wagen aus dem letzten Jahrtausend, aber – LEER. Und zwar wirklich leer. So ging der Abend doch noch ruhig aus.
Auf der Rückfahrt nach Hofheim gab es noch ein Highlight. Wir hatten eigentlich ICE gebucht. Aufgrund einer Bombenentschärfung in Hannover fiel der aber aus, also buchten wir auf einen Intercity um. Eine Stunde längere Fahrtzeit, aber immerhin ohne Halt bis Frankfurt. Der Wagen aus den Siebziger/Achziger Jahren. Die Einstiegstür noch mit Türgriff. Nichts mit Druckknopf und Automatiktüren, auch innen nicht. Abteil, plüschige rosa-rote Polster mit Nackenkissen in Türkis. Holzfurnier an den Wänden. Die Türschwellen noch aus Holz, Lüftungsgitter und Gepäckablage aus Messing. Flashback. Aber die Sitze waren sehr bequem, die Sitznachbarn im Abteil ruhig, ab Marburg oder Gießen war auch der Regen wieder da.
Fazit: mal wieder zu viel gelaufen, zu wenig geschlafen und viel viel gesehen. Tschüß, Hamburg!