Ein Wochenende zum Verlieben
So, der Freitag war ein schwacher Einstieg ins Wochenende. Nach dem obligatorischen Morgenkaffee direkt wieder ins kuschelige Hotel, während man draußen nur noch schemenhaft Stanley Park erkennen konnte. Die gegenüberliegende Seite des Hafens war komplett weg. Ätzend. Immerhin klar es zum Nachmittag hin auf und auf einen Tipp aus der Heimat hin machen wir uns auf in Richtung Granville Island. Aufgeschüttet zwischen zwei Sandbänken, früher mal Industriegebiet, dann Industriebrache, dann wiederentdeckt als Künstler- und Nahrungsmittelmarkt. Typische Geschichte eben. Auch der Weg dorthin war eine kleine Zeitreise – von den Glastürmen in Downtown in zwanzig Minuten wieder in ein älteres Calgary, mit alten Holzhäusern, schmutzigen Backsteinfassaden und kleinen Anliegerstraßen ohne Ampeln. Schon krass, wie eng in diesem riesigen Land die Extreme zusammen liegen.
Die Insel erreicht man nur mit kleinen Fährbooten über den False Creek, bisschen wackelig, weil sehr klein. Aber für die paar Meter geht´s, nach Norderney wollte ich mit dem Moped nicht tuckern… Direkt am Anleger ist der “Public Market”, eine Art Kleinmarkthalle für Obst, Gemüse, Käse, Wurst und frischen Fisch. Garniert wird das ganze mit zahlreichen Fressständen. Sehr wuselig, das ganze, hier kaufen ganz offensichtlich die Einheimischen ein, wenn sie keine Lust auf abgepacktes Fabrikessen haben. An einigen Ständen sieht man auch wieder den asiatischen Einfluss, gerade beim Fisch mit ganzem Kopf, oder auch bei manchen Obst- und Gemüsesorten. Gut, an den Gesichtern vor und hinterm Tresen kann man es auch erkennen…
Neben der Kleinmarkthalle hat es noch Kunstgewerbe, für einen Appel und ein Ei kann man da echte Kunst erwerben. Sind aber sehr große Äpfel! Also nicht weiter spannend. Dafür gibt es noch eine “Spicy Bratwurst” im Hotdogbrötchen, mit Sauerkraut und Zwiebeln. Lecker, aber jetzt kein Vergleich zur heimischen Bratwurst. Doch mit Blick über den kleinen Hafen war es erträglich. 😉 Rückwärts über eine andere Fähre, ein recht großer Trimaran namens “Cyquabus” bringt uns wieder auf die richtige Seite des False Creek. Und über den hohen Berg hinüber nach Downtown. Immerhin sind am Ende knapp fünf Kilometer zusammen gekommen.
Der nächste Morgen besteht erst einmal aus Koffer packen, immerhin passt noch alles rein. Noch ein letzter Blick auf den Hafen unter Wolken und dann ab zum Frühstück. Bei Malone´s natürlich. Sandwich und Kaffee, dazu ein wenig Fußball. Zwei Halbzeit Wales gegen Nordirland, wieder zum Abgewöhnen. Also wieder ab zum Hafen, noch ein bisschen Leute gucken. Und die “Nieuw Amsterdam”, die beim Anlegen wirklich jeden Meter im Coal Harbour ausgenutzt hat.
Unglaublich, wie viele Schiffe da auf der Route Alaska – Vancouver pendeln. Allein in dieser Woche sind von Mittwoch bis einschließlich Samstag sechs Kreuzfahrtschiffe in Vancouver abgefertigt worden, vorsichtig geschätzt 9000 Mann runter, 9000 wieder rauf.
Ab ins Auto, Navi an und rein in den Großstadtverkehr. Wo wollen die eigentlich alle hin, und wieso arbeiten die am Samstag auf den Baustellen. Nach einer Ehrenrunde dank Navi geht´s ab nach Süden, der Sonne entgegen. Und wirklich wahr, irgendwo auf der Strecke reißen die Wolken auf und am Fährterminal von Tsawwassen steht unser Nissan unter einem wolkenlosen Himmel. Während weit hinten am Horizont die Innenstadt von Vancouver immer noch unter einer dicken Wolkendecke liegt. So, jetzt kann der Sommerurlaub losgehen! Die “Coastal Celebration” wurde in Flensburg gebaut, also sind wird total sicher, quasi auf Heimatgrund, während wir eine gute Stunde lang eine kleine Kreuzfahrt zwischen Vancouver und Vancouver Island genießen.
Auf der Strecke windet sich das Schiff durch viele kleine Inseln, manche mit sehr schönen Wochenendhäusern drauf, die einen zum Träumen bringen. Und andere scheinbar bis heute unberührt von Menschenhand. So viele Bäume, kleine heimelige Buchten, einfach traumhaft, der Ausblick vom Sonnendeck!
Die Strecke nach Victoria rein ist simpel, die Hotelzufahrt auch schnell gefunden, einchecken und ab auf Zimmer. Moment mal, das hier hab ich doch nicht bestellt? Naja, erst einmal gemütlich machen. Beim zweiten Gang zur Rezeption stelle ich meine Ohren dann auf Empfang und in der Tat – wir wurden vom “Pacific Room” auf die “Pacific Suite” upgegraded… Okay, also nun mit Balkon und separatem Wohnzimmer, zwei Fernseher, zwei Waschbecken. Lasse ich mir gefallen. Die Hauptsache ist jedoch der Blick über den Hafen, im klaren Sonnenschein liegen hier die Jachten in Greifnähe, die Wasserflugzeuge starten wieder quasi durchs Schlafzimmer und die Fähre nach USA legt direkt vor dem Balkon ab. Außerdem tuckern viele Oldtimer mit sattem V8 durch die Straßen, begleitet vom harten V2-Schlag diverser Harleys mit, sagen wir mal, geringer Schalldämpfung…
Viel zu sehen, bis uns der Hunger raus treibt. Samstag Abend, dazu im Hafen noch ein Reggae-Festival, hier ist die Hölle los. Die ersten beiden Empfehlungen sind komplett überlaufen, doch bei “Nautical Nellies” bekommen wir noch einen Tisch. Als Vorspeise Jakobsmuscheln und Prawns, eingewickelt in Schinken und dann ausgebraten, mit einem Honigsößchen dabei. Schon zum Niederknien! Und zum Hauptgang gönne ich mir eine Paella, mit würziger Wurst und allem, was so drei nicht mehr im Meer war. Ordentliche Portion, total lecker und gut gewürzt. Im Abgang noch einen Cocktail und dann bin ich aber platt. Noch ein wenig Lesen auf dem Balkon und dann ab ins Bett.
Sonntag aufwachen und rausschauen. Und ja, die Sonne ist immer noch da, und keine Wolke am Himmel. Doch vor den Ausflug hat die UEFA das Deutschlandspiel gestellt, die Euro2016 läuft noch und die DFB-Elf klatscht die Slowaken 3:0 weg. Schöner Morgen. Ein paar Würstchen und Brötchen für das Picknick geholt und ab Richtung Sooke. Ein kleiner Regionalpark direkt am Pazifik, mit einem Trail oberhalb der Steilküste. Unten könnte man sogar ins Wasser, aber so hart sind wir dann doch nicht. Doch schon der Trail nimmt uns hart ran, über Wurzeln und Steine geht es auf und ab. Man muss schon schauen, wohin man seine Füße setzt, was nicht einfach ist, denn die Aussicht ist wunderbar. Zwischen den Bäumen hindurch der Pazifik und im Hintergrund die schneebedeckten Gipfel des Festlands. Gut eine halbe Stunde dauert die harte Nummer, dann biegen wir rechts ab in Richtung des Parkplatzes. Noch eine halbe Stunde auf ordentlichen Waldwegen durch den Regenwald, mit Farnen, Flechten und allerhand Bäumen, die Temperatur genau richtig zum Wandern.
Abends noch mal raus? Aber sicher doch. Ein bisschen durch Downtown stromern, selbst Sonntag abends sind noch Souvenirläden offen, ein kurzer Kaufrausch und dann auf die Terrasse vom Nachbarhotel. Kleiner Imbiss geht noch, halber Liter Bier und gutes Sandwich mit Pulled Pork und Sweet Potatoe Fries. Im Schatten wird es nun doch etwas kühl, zum Glück steht direkt hinter mir einer von diesen Gasbrennern. So kann ich in Ruhe das Bier austrinken und das leckere Essen genießen. Und den süßen Kellnerinnen beim Arbeiten zuschauen – wobei da teilweise etwas die Professionalität fehlt. Aber was ist schon ein bisschen verschüttetes Bier bei dem Ausblick?