Scorpions in der Festhalle
“40 Jahre sind genug”, “die große Abschiedstournee”, “Aufhören in Würde”, diese ganzen Schlagworte sind im Vorfeld der letzten Welttournee der Scorpions gefallen. Und ich muss sagen – ich bin enttäuscht.
Erstmal ein Ablauf des Abends:
19:30 Konzertbeginn laut Ticket – und die Vorband kam wirklich pünktlich.
20:05 Vorband Ende
20:55 Die Scorpions haben den Weg zur Bühne gefunden
22:25 Ende des Standard-Sets
22:50 Ende der Zugaben
Das war also das Beste aus 17 Studioalben? Nun denn, das ging ja schnell.
Gehen wir mal ins Detail. Die Vorband war pünktlich und gab sich wirklich Mühe, den Saal einzuheizen. Laute Gitarrenriffs und richtig Action. Und immer wieder der Hinweis, dass die Scorpions schon direkt hinter der Bühne warten würden… Abgang, Stimmung im Saal gut.
Die Roadies hetzen auf die Bühne, bauen Schlagzeug etc. ab, nach 15 Minuten ist die Bühne frei – und bleibt es noch für eine gute halbe Stunde. Lernt man das in 40 Jahren Bühnenpräsenz? Die aufgeheizte Stimmung verpuffte jedenfalls bis zum Auftritt der Scorpions wieder völlig, während im Background eine Hardrock-Konserve lief (Highlights wie AC/DC oder Metallica wurden schon gefeiert).
Dann die Scorpions, mal schauen, was da nun kommt. Nicht viel, verglichen mit anderen Konzerten, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Hauptsächlich Show, aber vom Sound her wirklich trübe. Vor lauter Stromgitarren hat man nur selten mitbekommen, dass da auch ein Sänger ist – aber auch die Stimme war kaum druckvoll und stark. Mehr ein nuscheliges Gebrabbel von Text. Dazu natürlich hölle laut, hier erreichten die Scorpions wirklich mal 100% der Erwartungen.
Dazu als ständige Showeinlagen:
* Rudolf Schenker rennt wie ein Karnickel auf Speed von der seitlichen Bühne auf den Steg in der Hallenmitte und nach 15 Sekunden hektisch wieder zurück
* Klaus Meine hält seinen (Mikro-)Ständer in die Massen
* Das Schlagzeug wird von Bodenniveau auf 5 Meter Höhe gefahren – und wieder runter
* Klaus Meine wirft mal wieder 10 unbenutzte Drumsticks in die Menge (am Ende des Abends werden es so 100 Stück gewesen)
Die Lightshow war sehr gut, Pyroeffekte beschränkten sich auf ein paar Flammen… Auf den Leinwänden liefen nur zeitversetzte Videos, das hat man bei den Aufnahmen von Klaus Meine gut gesehen. Lippensynchron ist anders. Dazu wurde in Kunst gemacht, die Kamerabilder wurden verfremdet (schwarz-weiß mit 150% Kontrast). Der künstlerische Anspruch steigerte sich dann bei der “Kottack-Attack” weiter, da liefen auf der Leinwand Bilder ab, die zusammen mit dem Schlagzeugsolo mehr an eine Video-Sound-Installation von der “Documenta XY” erinnerten als an Musik.
Nach 90 Minuten Set kamen noch “Still loving you”, “Wind of change” und “Rock you like a hurricane” als Zugabe, dann leerte sich die Halle schon zusehends und wir machen uns auch vom Acker, um die S-Bahn zu kriegen.Ob man eine Ballade wie Still loving you mit kreischenden E-Gitarren versauen muss – ich weiß nicht. Bei “Wind of Change” hat man die Text-Passagen der Halle wieder besser verstanden als die von Klaus Meine. Nur “Hurricane” konnte mich wirklich überzeugen… wobei eine Scorpionspyramide im Bereich Ü-60 auch nicht mehr cool wirkt…
Insgesamt muss ich sagen, dass ehemalige Vorbands wie Bon Jovi oder Metallica heute deutlich mehr bieten.
Nachträge: und wenn es nicht läuft, läuft es nicht… Am Bahnhof angekommen war 1. der Mäkkes wieder so voll, so dass an rechtzeitige Fütterung vor Abfahrt der Bahn nicht zu denken war und 2. der Zeitungsladen gerade seit fünf Minuten geschlossen.
Und während ich diesen Text so schreibe, zieht hier mit Gesang und Trompetenklang die Himmelfahrtsprozession an unserem Haus vorbei…
PPS: Nach den drei Liedern war die Zugabe wirklich vorbei, gerade fand ich im Netz die Set-List:
- Sting In The Tail
- Make It Real
- Bad Boys Running Wild
- Is There Anybody There
- The Zoo
- Coast To Coast
- Loving You Sunday Morning
- We’ll Burn The Sky
- The Best Is Yet To Come
- Send Me An Angel
- Holiday
- The Good Die Young
- Raised on Rock
- Tease Me Please Me
- 321
- Kottak Attack
- Blackout
- Big City Nights
Zugabe:
- Still Loving You
- Wind Of Change
- Rock You Like A Hurricane